Veranstaltung: | Jahreshauptversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 1. Begrüßung |
Antragsteller*in: | Kreisvorstand (dort beschlossen am: 15.02.2018) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 16.02.2018, 13:49 |
A3: Antrag zum Wechselmodell
Antragstext
Wir halten das Wechselmodell grundsätzlich für eine gute Möglichkeit
Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herzustellen und den betroffenen
Kindern einen guten Kontakt zu beiden Elternteilen zu ermöglichen. Wenn es dem
Kindeswohl entspricht, sollte das Wechselmodell auch gegen den Willen eines
Elternteils angeordnet werden können.
Begründung
Warum
Das GRÜNE Gremium Bundesfrauenrat beschloss am 14.10.2017 unter dem Titel
„Selbstbestimmung und Gleichberechtigung“ unter dem Punkt „Alleinerziehende“:
„Wir sprechen uns entschieden gegen Bestrebungen aus, das Wechselmodell im
Sorgerecht zu standardisieren. Grundsätzlich setzen wir uns für
Partnerschaftlichkeit ein, aber das Wechselmodell kann nicht gegen den Willen
eines Elternteils funktionieren.“
Die Ausgangslage
Gemeint ist die Situation, dass Eltern sich trennen. Die Eltern entscheiden
dann, ob die Kinder bei einem von ihnen wohnen, sogenanntes Residenzmodell. Oder
ob die Kinder wechselnd bei beiden Elternteilen wohnen. Das Wechselmodell. Wie
das Wechselmodell gelebt wird, ist völlig unterschiedlich. Die Kinder können
drei Tage bei einem und vier Tage bei dem anderen Elternteil wohnen, oder fünf
Tage bei dem einen, zwei Tage bei dem anderen Elternteil. Oder, oder, oder. Es
heißt schlicht, dass das Kind bei beiden Elternteilen wohnt. Die konkrete
Ausgestaltung hängt völlig von den konkreten Gegebenheiten ab.
Können die Eltern sich nicht einigen, wo das Kind wohnen soll, entscheidet das
Familiengericht. Das betrifft also ausschließlich Fälle, in denen beide
Elternteile sich mindestens teilweise um die Kinder kümmern wollen, und
mindestens ein Elternteil damit nicht einverstanden ist. Das Familiengericht
wird fast immer eine*n Gutachter*in damit beauftragen, festzustellen, wie dem
Kindeswohl entsprochen werden kann. Nur in seltenen Fällen wird es vorkommen,
dass der Kontakt zu einem Elternteil dem Kindeswohl widerspricht.
Die derzeitige Gesetzeslage sieht so aus: Das Familiengericht darf das
Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteiles anordnen. Das hat der
Bundesgerichtshof in höchster Instanz 2017 festgestellt. In der überwältigenden
Mehrheit der Fälle tut es das aber nicht, sondern ordnet das Residenzmodell an.
Auch die weiteren damit zusammenhängenden gesetzlichen Regelungen sind auf das
Residenzmodell zugeschnitten, beispielsweise beim Unterhalt.
Um den Beschluss des Bundesfrauenrates inhaltlich umzusetzen, wäre mithin eine
Gesetzesänderung erforderlich.
Es kann keine Regelung für alle Fälle geben
2015 forderte die Parlamentarische Versammlung des Europarates in ihrer
Resolution Nr. 2079 einstimmig die Mitgliedstaaten auf, in ihren
familienrechtlichen Regelungen die Möglichkeit des Wechselmodells nach Trennung
der Eltern zu schaffen. Die nationalen Regelungen sollten Ausnahmen nur zulassen
in den Fällen von Kindesmißbrauch, Vernachlässigung/Verwahrlosung und häuslicher
Gewalt. Wieviel Zeit das einzelne Kind bei den Elternteilen verbringt, sollte
sich nach den Bedürfnissen und Interessen des Kindes richten.
Völlig klar ist, dass in diesen drei von der Versammlung aufgeführten Fällen,
das Wechselmodell nicht vom Gericht angeordnet werden sollte und auch nicht
werden würde, denn man darf davon ausgehen, dass es dem Kindeswohl nicht
entsprechen würde. Völlig klar ist weiter, dass die Lebensumstände der
beteiligten Kinder und Eltern ein Wechselmodell überhaupt zulassen müssen. Wohnt
ein Elternteil in Berlin und das andere in Hannover, dann wird das Wechselmodell
nicht angeordnet werden, weil es nicht dem Kindeswohl entspricht. In jedem Fall
muss und wird das Familiengericht die konkreten Umstände prüfen und entscheiden.
Kompliziert – für die Eltern
Das Wechselmodell verlangt den Eltern ab, dass sie miteinander in Kontakt
bleiben. Eltern müssen sich abstimmen. In vielen Fällen sind Eltern nach einer
Trennung aber dazu nicht mehr gewillt. Noch komplizierter wird die Situation,
wenn neue Partner*innen in das Leben der Eltern treten. Dennoch bleibt eine
Konstante: Das Kind hat immer noch die gleichen Eltern. Für das Kind ist immer
noch dieselbe Person der Vater, dieselbe die Mutter. Diese Beziehungen zu beiden
Elternteilen zu schützen, ist im Interesse des Kindeswohles und es ist absolut
essentiell. Es wird also kompliziert – für die Eltern und im Interesse der
Kinder.
Bei gleichgeschlechtlichen Paaren wäre die Lage noch komplizierter, weil von
vornherein bis zu zwei Mütter und zwei Väter beteiligt sein könnten. In der Tat
erfordert das von allen Beteiligten die Bereitschaft, sich in hohem Maße
kooperativ zu verhalten. Nach jahrelangen Kämpfen haben wir erreichen können,
dass gleichgeschlechtliche Paare rechtlich gleichgestellt sind. Wer sich auf
eine solche Konstellation einlässt (Beteiligung von bis zu 4 Erwachsenen), der
sollte sich darüber klar sein, dass Beziehungsabbrüche zu Bezugspersonen für ein
Kind ein massives Problem darstellen und was das im Falle einer Trennung in der
Partnerschaft bedeutet. Keinesfalls kann es heißen, dass das Kind dann die
Person ist, die mit der komplexen Situation fertig werden muss, weil es auf
einmal zwischen vier Haushalten pendeln oder bis zu drei Bezugspersonen
verlieren soll. In jedem einzelnen Fall ist es Aufgabe des Familiengerichtes,
eine tragbare und dem Kindeswohl entsprechende Regelung zu finden, die aber ein
Gesetz unmöglich vorschreiben kann.
Frauen unterstützen, Männer unterstützen
Wir wollen, dass beide Elternteile sich in ihren Familien einbringen, gute
Bindungen zu ihren Kindern haben. Wir wollen, dass Frauen familiär entlastet
werden – durch ihre Männer. Frauen müssen jeden Tag wieder damit leben, dass vom
Arbeitgeber*innen und auch den Kolleg*innen bei jeder Entscheidung mitgedacht
wird, dass die Frauen ja entweder Kinder haben oder bekommen könnten und dann
ausfallen. Wegen Elternzeit, Teilzeit, kranken Kindern. Solange diese
Überlegungen mitschwingen, wird es Frauen immer wieder sehr viel mehr Mühe
kosten, Verantwortung im Job übernehmen zu können, überhaupt bestimmte
Jobs/Ämter zu bekommen und Karriere zu machen. Fundamental ändert sich daran
etwas erst, wenn die zugehörigen Männer sich selbst direkt in der Verantwortung
für ihre Kinder sehen. Und wenn auch die Arbeitgeber*innen, Kolleg*innen und
zugehörigen Frauen sie in dieser direkten Verantwortung sehen.
Wir wollen, dass Frauen beruflich aufgewertet werden – indem wir die Männer
familiär aufwerten.
Wir wollen, dass Männer Elternzeit nehmen – mehr als zwei Monate! Wir wollen,
dass auch mal die Männer zu Hause bleiben, wenn die Kinder krank sind. Wir
begrüßen es, wenn Männer Teilzeit arbeiten und sich mehr um Kinder und Haushalt
kümmern. Wir wollen, dass die Väter sich in der Verantwortung sehen. Das heißt
aber auch, dass wir ihnen nicht verwehren dürfen, sich nach einer Trennung um
ihr Kind zu kümmern.
Auch für die Fälle, in denen während der Partnerschaft eine Aufteilung der
Erziehungsaufgaben nicht stattfand, kann das Gesetz keine Vorgabe machen. Es ist
Aufgabe des Familiengerichtes die konkreten aktuellen Umstände festzustellen und
eine Entscheidung im Interesse des Kindeswohles zu treffen.
Ein Signal
Die juristische Möglichkeit, das Wechselmodell anzuordnen, allein wird kaum eine
wahrnehmbare Veränderung der Verhältnisse herbeiführen. Begleitend müssen die
Umstände geschaffen werden, damit es auch wirklich in großem Maße genutzt werden
kann. Jugendhilfemaßnahmen könnten beispielsweise Eltern dabei unterstützen für
ihre Kinder zu sorgen und mit ihren Expartner*innen in die notwendige
Kooperation zu gelangen. Eine gesetzliche Klarstellung, dass das Wechselmodell
(auch gegen den Willen eines Elternteils) angeordnet werden kann, wäre ein
Signal und nicht mehr. Wir würden nicht einmal die Rechtslage ändern. Wir würden
damit die Aufteilung der Erziehungsarbeit aufwerten und zeigen, in welche
Richtung unsere Gesellschaft gehen soll. In die Richtung einer juristischen und
gelebten Gleichberechtigung.